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«Eigenverantwortung ist wichtig»

8. Juli 2025

Hautkrebs ist die häufigste Krebsart. Früh erkannt ist er meist gut behandelbar. Prof. Dr. Reinhard Dummer und Dr. Lukas Krähenbühl vom Hauttumorzentrum am Kantonsspital Aarau sprechen über Warnzeichen, Risiken und moderne Therapien.

  • Lesedauer ca. 5 Minuten
  • Themen Krebs / Onkologie
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Herr Prof. Dummer, Herr Dr. Krähenbühl: Wie häufig ist Hautkrebs in der Schweiz?

Dr. Lukas Krähenbühl: Hautkrebs ist mit Abstand die häufigste Krebsart überhaupt. Besonders bei uns in der Schweiz sehen wir sehr viele Fälle. Der sogenannte helle Hautkrebs – also Basalzell- und Plattenepithelkarzinom – ist so häufig, dass man ihn gar nicht mehr zählt. Der schwarze Hautkrebs, das Melanom, ist seltener, aber gefährlicher.

Prof. Dr. Reinhard Dummer: Konkret sprechen wir in der Schweiz von rund 3500 neuen Fällen von schwarzem Hautkrebs pro Jahr. Beim Plattenepithelkarzinom sind es rund 35’000 und beim Basalzellkarzinom um die 350’000 Fälle. Insgesamt also bis zu 400’000 neue Hautkrebserkrankungen pro Jahr.

Das klingt dramatisch!

Krähenbühl: Ja, das stimmt. Man muss es aber relativieren. Die meisten Fälle erwischt man zum Glück früh genug, so dass man sie erfolgreich behandeln kann. Die Betroffenen werden in den meisten Fällen geheilt, wenn sie sich ärztlich vorstellen und korrekt behandelt werden.

Dummer: Das gilt vor allem für den hellen Hautkrebs. Da reden wir von Heilungschancen von über 90 Prozent. Aber auch beim schwarzen Hautkrebs hat sich viel getan. Wenn er früh erkannt wird, sind die Heilungschancen sehr hoch. Und wir können heute sogar in fortgeschrittenen Stadien in bis zu 50 Prozent der Fälle eine Heilung erreichen.

Woran erkennt man Hautkrebs? Was sollten Betroffene beachten?

Krähenbühl: Wichtig ist, die eigene Haut gut zu kennen. Jeder Mensch kann einen grossen Beitrag zur Früherkennung leisten. Auffällig ist zum Beispiel ein Muttermal, das sich auf einmal verändert. Besonders verdächtig sind neue Flecken oder Wunden, die über Wochen nicht abheilen – vor allem im Gesicht.

Dummer: Wir sprechen hier von der sogenannten ABCD-Regel. A steht für Asymmetrie, B für Begrenzung, C für Color, also Farbe, und D für Dynamik, also Veränderungen. Die Dynamik ist besonders wichtig: Wenn sich etwas verändert, gehört es abgeklärt.

Wer ist besonders gefährdet?

Krähenbühl: Menschen mit heller Haut, Sommersprossen oder vielen Muttermalen haben ein erhöhtes Risiko. Das gilt auch, wenn Hautkrebs in der Familie vorkommt. Und das Risiko steigt mit dem Alter. Denn je mehr Sonne die Haut abbekommen hat, desto höher das Risiko für Hautkrebs. Auch Solarien erhöhen das Risiko.

Haben Sie den früheren Solarium-Trend in Ihrer Praxis gespürt?

Dummer: Ja, sehr deutlich. Es kamen auffällig viele junge Menschen mit Melanomen. Oft waren diese auch an ungewöhnlichen Stellen wie dem Gesäss. Die WHO hat deshalb UV-Strahlen als krebserregend eingestuft. In Australien und Skandinavien sind Solarien mittlerweile verboten.

In der Schweiz dürfen Jugendliche unter 18 Jahren nicht ins Solarium. Wären Sie für ein generelles Verbot?

Dummer: Ja.

Krähenbühl: Das ist eine politische Frage. Aber die Botschaft muss klar sein: Solarien sind schädlich für die Haut! Sie erhöhen das Risiko für Hautkrebs massiv. Und sie fördern die vorzeitige Hautalterung. Aus ärztlicher Sicht muss man dringend davon abraten. Es muss jedem klar sein: Solarien sind brandgefährlich!

Brandgefährlich – so wie Sonnenbrände. Andererseits tut die Sonne ja auch gut.

Krähenbühl: Ja, sie hebt die Stimmung und ist nötig für die körpereigene Bildung von Vitamin D. Man soll sich ja auch nicht einschliessen. Man soll Sport machen und draussen sein. Aber möglichst nicht in der Mittagssonne von 11 bis 15 Uhr. Schatten hilft. Zudem empfehlen wir, einen hochwertigen Sonnenschutz aufzutragen, auch wenn man nicht direkt in die Sonne geht oder wenn es bewölkt ist.

Dummer: In südlichen Ländern hält man nicht umsonst Siesta. Die UV-Strahlung ist in dieser Zeit enorm. Bleibt man dann drinnen, kann man viel einsparen, so viel kann man gar nicht cremen. Und wenn man draussen ist, kann man gar nicht genug cremen, um sich zu schützen. Insbesondere Kinder müssen wir vor Sonnenbränden schützen. Denn gerade in jungen Jahren erhöhen sie das Risiko für schwarzen Hautkrebs deutlich.

Was tun, wenn man den Verdacht auf Hautkrebs hat?

Dummer: Der erste Ansprechpartner ist der Haus- oder der Hautarzt. Niedergelassene Dermatologen können einfache Fälle sehr gut behandeln, etwa mit kleinen Operationen oder Kältebehandlungen bei Vorstufen. Wenn es komplizierter wird – etwa bei Verdacht auf Melanom –, kommen wir ins Spiel.

Krähenbühl: Vor allem fortgeschrittener Hautkrebs ist eine komplizierte Erkrankung. Es braucht entsprechendes Know-how, um ihn effizient und optimal zu behandeln. Im Kanton Aargau bieten wir als Einzige das volle Angebot an Diagnostik und Behandlung an. Das umfasst auch die Nachsorge. Patientinnen und Patienten sind bei uns sehr gut aufgehoben.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Dummer: Wir untersuchen die Haut und die Lymphknoten, setzen spezielle Auflichtmikroskope ein und entnehmen bei Bedarf Proben. Diese werden feingeweblich und oft auch genetisch untersucht. Dann erstellen wir einen individuellen Behandlungsplan. Wichtig ist, dass wir nicht überbehandeln. Denn Behandlungen sind teuer und können auch Nebenwirkungen haben. Aber wir wollen den Patientinnen und Patienten, die ein hohes Risiko haben, die bestmögliche Heilungschance bieten.

Wie sehen moderne Therapien aus?

Krähenbühl: In den meisten Fällen reicht eine kleine OP. Bei grösseren Operationen ziehen wir plastische Chirurgen bei, immer mit dem Ziel, ein ästhetisch optimales Resultat zu erreichen. In fortgeschrittenen Stadien kann auch die Immuntherapie oder eine gezielte Tablettentherapie zum Einsatz kommen.

Dummer: Die Immuntherapie hat die Behandlung revolutioniert. Selbst bei Metastasen in inneren Organen oder im Gehirn erreichen wir heute Heilungsraten von über 50 Prozent. Aber: Es gibt auch Nebenwirkungen – etwa Entzündungen der Lunge, des Darms oder der Schilddrüse. Deshalb wägen wir Nutzen und Risiko immer sehr sorgfältig ab.

Wie hoch ist das Rückfallrisiko bei Betroffenen?

Krähenbühl: Wer einmal Hautkrebs hatte, hat ein deutlich erhöhtes Risiko für einen zweiten. Die Haut hat oft insgesamt viel UV-Strahlung gesehen. Dazu kommen genetische Faktoren. Deshalb bieten wir regelmässige Nachsorgeuntersuchungen an. Und wir sensibilisieren zur Selbstkontrolle.

Dummer: Man sollte seine Haut gut kennen. Alles, was sich über ein Jahr nicht verändert, ist meist gutartig. Neue Hautveränderungen bei Erwachsenen sollte man aber immer zeigen. Flächendeckende Vorsorgeuntersu[1]chungen sind in der Schweiz nicht realistisch. Umso wichtiger ist Eigenverantwortung.

Herr Prof. Dummer, Herr Dr. Krähenbühl – zum Schluss: Ihre wichtigste Botschaft?

Krähenbühl: Hautkrebs ist sehr häufig – aber auch sehr gut heilbar, wenn man ihn früh erkennt. Deshalb: Beobachten Sie Ihre Haut, vermeiden Sie übermässige UV-Strahlung und gehen Sie bei Verdacht frühzeitig zum Arzt.

Dummer: Das ist wichtig: Scheuen Sie sich nicht, bei Auffälligkeiten früh einen Arzt aufzusuchen!

Hauttumorzentrum am KSA – Kompetenzzentrum für Hautkrebs

Das Hauttumorzentrum am Kantonsspital Aarau ist das einzige zertifizierte Zentrum im Kanton Aargau, das die komplette Abklärung und Behandlung von Hautkrebs auf universitärem Niveau anbietet. Es ist von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) als Hauttumorzentrum anerkannt – ein Qualitätssiegel für höchste medizinische Standards. Komplexe Fälle werden im interdisziplinären Tumorboard besprochen. Dabei arbeiten Dermatologie, Onkologie, plastische Chirurgie, Radiotherapie, Radiologie, Nuklearmedizin, Psychoonkologie und weitere Fachrichtungen eng zusammen  – für massgeschneiderte Therapiekonzepte. Das Zentrum bietet modernste Verfahren zur Früherkennung, feingeweblichen Analyse und molekularbiologischen Diagnostik. Therapeutisch kommen neben Operationen auch Immuntherapien, zielgerichtete Medikamente, photodynamische Therapien und dermato- bzw. plastisch-chirurgische Eingriffe zum Einsatz.

Patientinnen und Patienten erhalten nicht nur eine medizinisch optimale Behandlung, sondern auch persönliche Beratung, strukturierte Nachsorge