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Krebs behandeln – das Leben stärken: Was integrative Onkologie leisten kann

19. Juni 2025

Wenn Medikamente allein nicht reichen: Immer mehr Krebspatientinnen und Krebspatienten setzen auf ergänzende Therapien aus der Komplementärmedizin. Die integrative Onkologie verspricht Linderung – und mehr Selbstwirksamkeit im Krankheitsverlauf.

  • Autor / Autorin dipl. Ärztin Theresia Knittel
  • Lesedauer ca. 5 Minuten
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Operation, Chemotherapie, Strahlentherapie – moderne Krebsbehandlungen retten Leben, gehen aber oft mit schweren Nebenwirkungen einher. Viele Betroffene wünschen sich in dieser Phase mehr als nur medizinische Präzision: Sie wollen ihren Körper unterstützen, ihre Lebensqualität erhalten, aktiv zur eigenen Genesung beitragen. Genau hier setzt die integrative Onkologie an – eine Disziplin, die konventionelle Krebstherapien mit komplementären Methoden kombiniert.

Was wirkt – und für wen?

«Integrative Onkologie bedeutet nicht, die Schulmedizin zu ersetzen, sondern sie gezielt zu ergänzen», erklärt Dipl. med. Theresia Knittel, Oberärztin am Kantonsspital Aarau. «Ziel ist es, Patientinnen und Patienten ganzheitlich in allen Krankheitsphasen zu stärken.» Geeignet ist das Angebot für Menschen mit neu diagnostizierten Tumoren, während der schulmedizinischen Therapie sowie für sogenannte Cancer Survivors, die nach Abschluss der Behandlung wieder Kraft schöpfen wollen. Auch in palliativen Situationen kann die integrative Onkologie helfen, Beschwerden zu lindern.

Die Palette an Methoden ist breit: Akupunktur, Phytotherapie, anthroposophische Medizin, Yoga oder Neuraltherapie gehören ebenso dazu wie äussere Anwendungen, zum Beispiel Aromaöl-Auflagen oder künstlerische Therapien. «Wichtig ist, dass alle Verfahren evidenzbasiert eingesetzt werden – also entweder wissenschaftlich untersucht oder seit Langem erprobt sind», sagt Knittel.

Nebenwirkungen frühzeitig abfedern

Die Wirkung integrativer Ansätze lässt sich oft nicht an Tumorgrössen messen – wohl aber am Wohlbefinden. Studien zeigen: Komplementäre Therapien können helfen, Fatigue zu reduzieren, besser zu schlafen, Ängste zu lindern oder mit Schmerzen umzugehen. Eine Patientenbefragung des KSA zeigt: Rund 80 Prozent der Patientinnen und Patienten, die integrative Angebote genutzt haben, berichten von einer spürbaren Besserung.

Am KSA etwa werden Patientinnen und Patienten ab dem Moment der Diagnose betreut – oft sogar schon vor dem Beginn der konventionellen Behandlung. «So lassen sich Nebenwirkungen frühzeitig abfedern und Ressourcen erhalten», sagt Knittel. Angeboten werden unter anderem Ohr-Akupunktur gegen Übelkeit oder Schlafprobleme, Wickel mit ätherischen Ölen zur Stabilisierung des Tagesrhythmus oder Phytopräparate zur Magenberuhigung. Für Yoga und andere Kurse kooperiert das Spital auch mit externen Fachpersonen.

Selbstwirksamkeit statt Ohnmacht

Ein zentrales Element der integrativen Onkologie ist die Stärkung der Selbstwirksamkeit. «Eine Krebsdiagnose bringt viele Menschen in eine medizinische Maschinerie, der sie sich ausgeliefert fühlen», sagt Knittel. «Wir wollen ihnen helfen, ihre gesunden Anteile zu aktivieren und mitzugestalten, was möglich ist.»

Gerade nach abgeschlossener Therapie zeigt sich, wie wichtig dieser Ansatz ist: Viele Betroffene werden als geheilt entlassen, fühlen sich aber innerlich leer oder erschöpft. «Die Fatigue ist oft nicht vorbei, wenn die Chemo es ist», sagt Knittel. Auch hier können integrative Verfahren helfen – etwa mit Mistelpräparaten, abgestimmten Bewegungseinheiten oder Wickel und Auflagen – Lebenskräfte zu mobilisieren, um neu gewonnene Sichtweisen im Alltag umzusetzen.

Keine Konkurrenz zur Schulmedizin

Trotz aller Vorteile sei Vorsicht geboten bei der Eigenmedikation mit pflanzlichen Mitteln oder Nahrungsergänzung: «Es gibt zahlreiche potenzielle Wechselwirkungen mit Krebstherapien», betont Knittel. Deshalb sei es wichtig, dass integrative Therapien unter ärztlicher Aufsicht erfolgen – idealerweise dort, wo Schul- und Komplementärmedizin Hand in Hand arbeiten.

Dass der Bedarf da ist, zeigen die Zahlen: Am KSA etwa ist die ärztliche Sprechstunde zur integrativen Onkologie sehr gut ausgelastet – und das Interesse an den Workshops, Vorträgen und Therapiekursen wächst stetig. Für die kommenden Monate sind unter anderem Veranstaltungen zu äusseren Anwendungen, Bewegung und Achtsamkeit geplant. «Die integrative Onkologie ist kein Ersatz, sondern ein Möglichmacher», fasst Knittel zusammen.

Zu den Angeboten, Terminen und Buchungsmöglichkeiten:
ksa.ch/integrative-onkologie

Nachgefragt

Welche Beschwerden treten bei einer Krebstherapie häufig auf? Gibt es komplementärmedizinische Therapieformen, die sich in solchen Fällen besonders bewährt haben?

Häufige Beschwerden während einer Chemotherapie betreffen den Magen-Darm-Trakt – etwa Durchfall, Verstopfung oder Übelkeit. Eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme, eine ballaststoffreiche Ernährung und ggf. Faserstoffe wie Flohsamenschalen helfen dabei, die Verdauung zu unterstützen. Übelkeit kann zusätzlich zu den schulmedizinischen Medikamenten z. B. durch Selbst-Akupressur vorgebeugt und behandelt werden.

Bei antihormonellen Therapien – etwa bei Brust- oder Prostatakrebs – treten oft Hitzewallungen auf. Diese lassen sich gut durch (Ohr-)Akupunktur und pflanzliche Medikamente wie die Traubensilberkerze behandeln.

Infolge der Diagnose aber auch durch die Medikamente kann es zu innerer Unruhe und Anspannung kommen, was häufig mit einer schlechten Schlafqualität einhergeht. Hier sind unterstützende Massnahmen wie Achtsamkeitsübungen oder Meditation hilfreich. Sie fördern die Selbständigkeit des betroffenen Menschen, etwas tun zu können und helfen dabei, innere Ruhe zu finden. Auch gezielt eingesetzte Wickel oder Auflagen, wie beispielsweise eine Herzsalbenauflage mit einer Gold-Lavendel-Rosen-Salbe, fördern die Entspannung in belastenden Situationen. Zudem können pflanzliche Medikamente verwendet werden. Diese machen nicht abhängig und fördern Entspannung und Schlaf auf natürlichem Weg.

Wichtig: Pflanzliche Mittel sind gut verträglich, sollten aber immer mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt abgesprochen werden – da sie die Wirkung der Krebstherapie beeinflussen können.

Wie kann Naturheilkunde eine Krebstherapie sinnvoll ergänzen?

Ein Beispiel für die erfolgreiche Kombination von Schul- und Komplementärmedizin ist die Misteltherapie. Studien zeigen, dass sie die Verträglichkeit von Krebstherapien verbessern kann. Es treten weniger häufig und weniger intensive Nebenwirkungen, wie z. B. Übelkeit und Erbrechen, Appetitverlust oder Müdigkeit auf. Auch bei der sogenannten tumorbedingten Müdigkeit («Cancer related Fatigue») kann die Misteltherapie helfen.

Was erwartet mich in einem Workshop – und wie läuft er ab?

In unseren Workshops möchten wir Patientinnen und Patienten die Fähigkeit vermitteln, bestimmte unterstützende Massnahmen selbst anzuwenden. In unserem Akupressur-Workshop lernen Patientinnen und Patienten beispielsweise, wie sie häufige Beschwerden wie Unruhe, Schmerzen oder Übelkeit durch gezielte Akupressur selbst behandeln können.

In unserem Workshop für äussere Anwendungen werden Wickel und Auflagen erklärt. Es wird praktisch geübt, wie man z. B. eine Salbenauflage oder einen Leber-Wickel machen kann.

Eine begrenzte Anzahl von Teilnehmenden wird von fachkundigem und speziell ausgebildetem Personal in geschütztem Rahmen angeleitet, so dass die praktische Umsetzung zur Symptombehandlung zu Hause gelingt. Bei unseren Workshops sind auch Begleitpersonen und Angehörige herzlich willkommen.

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