Durch Nervenchirurgie zu mehr Lebensqualität
23. September 2025
Nach einem Unfall sind sensible Nerven im Handgelenk von Emanuel H. geschädigt. Sie verursachen unglaubliche Schmerzen und beeinträchtigen ihn. Eine spezielle Operationsmethode aus den USA, angewendet am KSA, ändert dies.
- Autor / Autorin PD Dr. Dr. med. Florian Früh
Emanuel H. steht mitten im Leben, ist beruflich eingespannt, hat ein Haus mit Umschwung, in dem auch seine Kinder wohnen, und er fährt leidenschaftlich gerne Velo. Bis zu dem Tag, der alles verändert. Bei Handwerksarbeiten zu Hause will er mit einer Trennscheibe eine Platte schneiden. Die Trennscheibe verkantet sich und ehe er sich versieht, sind an seinem linken Handgelenk eine Arterie, eine Sehne und diverse Nerven durchtrennt. «Das Blut spritzte wie aus einem Gartenschlauch aus der Wunde», erinnert er sich.
Ein Unfall mit Folgen
Glück im Unglück: Die zufällig vorbeifahrende Postbotin sieht ihn und reagiert geistesgegenwärtig. Sie legt ihm mit ihrem Schal einen Druckverband an und fährt ihn ins nächstgelegene Spital. Dort ist man sich einig, dass er schleunigst in die Handchirurgie des KSA verlegt werden muss. «Ich hatte Glück, dass ich überlebt habe», so Emanuel H. Trotz Medikamenten sowie Ergo- und Physiotherapie bleibt sein Handgelenk sehr schmerzempfindlich.Je nach Haltung, bei Kleidungsstücken mit langen Ärmeln oder wegen der Bettdecke: kleinste Berührungen reichen, damit ihm elektrisierende Schmerzen wie Nadelstiche durch den Arm fahren. Grund ist ein neuropathisches Schmerzsyndrom. Dabei bilden Gefühlsnerven sogenannte Endneurome, die enorm schmerzhaft sind und Emanuel H. beeinträchtigen. Doch aufgeben ist für ihn keine Option.
Operationsmethode aus den USA
In der Schweiz sind nur vereinzelte Chirurginnen und Chirurgen auf die Behandlung von neuropathischen Schmerzsyndromen spezialisiert. Einer davon ist PD Dr. Dr. med. Florian Früh. Seit Dezember 2022 leitet er die Handchirurgie und periphere Nervenchirurgie am KSA. Er berät Emanuel H., da er eine chirurgische Möglichkeit sieht, die Nerven zu behandeln. Und zwar handelt es sich um eine Operation, die er in den USA erlernt hat. Das Konzept basiert auf der Logik: Give a nerve somewhere to go and something to do (ein Nerv braucht einen Ort, an den er gehen kann, und etwas, das er tun kann). Heisst: Ein Nervenende will wachsen, und diese Nervenzellen müssen im Körper irgendwohin gelangen. «Bei der Operation leiten wir den Nerv in ein Endorgan, in das er wachsen kann», erklärt Florian Früh. Bei schweren Fällen von Nervenschmerzen hat er mit der OP gute Erfahrungen gemacht. Das Ziel ist, schmerzarm bis schmerzfrei zu werden. Wie bei allen Operationen gibt es Risiken und auch keine Garantie für einen 100-prozentigen Erfolg. Emanuel H. zweifelt eine Weile, entscheidet sich dann aber für den Eingriff. «Für mich war die Situation längerfristig nicht tragbar», führt er aus.

Nervenchirurgie für verschiedene Erkrankungen
Die periphere Nervenchirurgie befasst sich mit Störungen der Nerven ausserhalb der Wirbelsäule. Typische Fälle sind Nervenverletzungen, Nervenengpässe, wie beim Karpaltunnelsyndrom, und Nerventumoren. Ziel der Nervenchirurgie ist das Wiederherstellen der Funktion der Nerven, wenn eine solche Erkrankung auftritt. Ist ein Nerv in der Hand oder im Arm durchtrennt, wird dieser bei einer Operation freigelegt sowie vor und nach der Verletzungsstelle präpariert. Anschliessend wird der Nerv genäht oder oft auch mit einem körpereigenen oder fremden Nerv ersetzt. «Ein bisschen, als würde man ein Stromkabel austauschen», sagt Florian Früh. Die Operation verläuft unter dem Mikroskop. Zurück zu Emanuel H. Er hat den Eingriff gut überstanden. Während der ersten paar Tage wurde sein Arm von der Schulter abwärts betäubt, damit keine Schmerzimpulse durch den Arm gelangen. Eine Art Reset des Gehirns. Das hat funktioniert. Bereits im Spital hat er auf gewisse Berührungen ohne Schmerzen reagiert. «Mein Befinden ist bis zu 80 Prozent besser als zuvor», sagt er. Ganz schmerzfrei ist er heute zwar nicht, aber er kann wieder alles machen. Zum Beispiel sich am Abend aufs Velo setzen und eine Ausfahrt machen.