Innovatives Instrument für Spitalaustritt entwickelt
29. September 2022Interprofessionell koordinierte Austrittsplanung reduziert Spitalaufenthaltsdauer
Forschende am KSA Kantonsspital Aarau haben ein innovatives Instrument zur verbesserten Planung des Spitalaustritts entwickelt und dessen Wirksamkeit in einer gross angelegten Studie belegt. Durch den Einsatz des Instruments kann die durchschnittliche Aufenthaltsdauer um einen halben Tag verkürzt werden. Dies gelang ohne negative Effekte. Die Ergebnisse wurden Ende September 2022 in der renommierten Fachzeitschrift JAMA Network Open veröffentlicht.
Die Vorbereitung von Spitalaustritten ist gerade bei Schwerkranken eine komplexe medizinische, pflegerische und soziale Aufgabe. Seit Jahren ist es ein grosses Bestreben vieler Schweizer Spitäler, ihre Behandlungsprozesse zu vereinfachen und die Aufenthaltsdauer ohne Nachteile für Patientinnen und Patienten zu reduzieren. Zusätzlich stimuliert wurde dieser Trend durch die 2012 eingeführte einheitliche Tarifstruktur (SwissDRG) für stationäre Spitalleistungen.
Vor allem bei Patientinnen und Patienten mit Mehrfacherkrankungen sind längere Spitalaufenthalte mit einem höheren Risiko an Komplikationen, wie z.B. Stürze, Infektionen oder Delir, vergesellschaftet. Verfrühte Spitalaustritte hingegen können in der Folge zu unnötigen Arztbesuchen oder sogar Spitalwiedereintritten führen. Da Spitäler kaum über evidenzbasierte Informationen zur Wirksamkeit und Sicherheit von Instrumenten zur verbesserten Austrittsplanung verfügen, blieb bis anhin unklar, welche Strategie für Patientinnen und Patienten sowie das Spital von grösstem Nutzen ist.
Instrument zur individuell abgestimmten Austrittsplanung
Forschende des Kantonsspitals Aarau haben nun ein innovatives Instrument (In-HospiTOOL) entwickelt, mit dem sich der Spitalaustritt von Patientinnen und Patienten mit Mehrfacherkrankungen zielgerichteter und individuell abgestimmt planen lässt.
Unter Einbezug von knapp 500 000 Hospitalisierungen ging die Studie innerhalb des Nationalen Forschungs-programms «Smarter Health Care» (NFP 74) konkret der Frage nach, inwiefern sich durch den Einsatz des Instruments die Aufenthaltsdauer verändert und welcher Einfluss auf die Zahl an Wiedereintritten, Spitalsterblichkeit sowie Verlegungen in ein Alters- oder Pflegeheim besteht – allesamt wichtige Indikatoren für Effizienz und Versorgungsqualität. Unterstützt wurde die Studie durch den Schweizerischen Nationalfonds, das Kantonsspital Aarau und das Departement Gesundheit und Soziales des Kantons Aargau.
Kürzere Spitalaufenthaltsdauer
Die Resultate, die die Forschenden in der renommierten, amerikanischen Fachzeitschrift JAMA Network Open publiziert haben, sind vielversprechend. Durch den Einsatz von «In-HospiTOOL» konnten unnötige Verzögerungen vermieden werden und die Aufenthaltsdauer ging – im Vergleich zu Spitälern, die nicht aktiv an der Studie teilgenommen haben – im Schnitt um knapp einen halben Tag zurück. «Auch wenn der Rückgang auf den ersten Blick gering erscheint, ist die dadurch entstandene freie Bettenkapazität und der wirtschaftliche Nutzen – auf die gesamte Studienpopulation hochgerechnet – enorm», so Studienautor Dr. med. Alexander Kutz.
Patientensicherheit ist gewährleistet
«Es war wichtig, zu sehen, dass der Rückgang der Aufenthaltsdauer nicht zu vermehrten Spitalwiedereintritten führte», so Alexander Kutz weiter. Diese Erkenntnis sei bemerkenswert, nachdem es durch die im 2012 eingeführten Fallpauschalen Anzeichen für eine höhere Wiedereintrittsrate gegeben hatte. Ebenso betont der Studienautor, dass dies über den gesamten Studienzeitraum hinweg ohne negativen Effekt auf Genesungsverlauf, Wiedereintrittsrate, Spitalsterblichkeit oder Verlegungen in eine Pflegeinstitution gelungen sei.
Die Studienresultate tragen nun entscheidend dazu bei, dass bei medizinisch komplexen Patientinnen und Patienten der Spitalaustritt in Zukunft individueller und wirksamer geplant werden kann, ohne dass die Patientensicherheit darunter leidet. Die Erfahrungen aus der Studie zeigen aber auch, dass ein Instrument zur Verbesserung der Austrittsplanung je nach Umfeld auf die Bedürfnisse der Anwenderinnen und Anwender angepasst werden muss. Im Kantonsspital Aarau wird das Instrument heute bereits flächendeckend in der medizinischen Universitätsklinik sowie auf einzelnen chirurgischen Stationen eingesetzt.
Das Forschungsprojekt führte weiter zu einem Umdenken und Kulturwandel in der Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsfachpersonen und ist wegweisend für ein modernes, zentriertes und hochstehendes Gesundheitswesen, das auf die individuellen Bedürfnisse jeder Patientin und jedes Patienten eingeht.
Publikation
Alexander Kutz et al.: Effect of interprofessional discharge planning using an electronic health record tool on hospital length of stay among patients with multimorbidity: A nonrandomized controlled trial.
JAMA Network Open. 2022;5(9):e2233667.doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.33667
Links zur Zusammenfassung
Auskunftsperson für Medienschaffende
Dr. med. Alexander Kutz, Oberarzt Medizinische Universitätsklinik KSA Kantonsspital Aarau