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Jenseits des Skalpells: Moderne Behandlung von Bandscheibenvorfällen

3. Mai 2024

Rückenschmerzen sind eine Volkskrankheit. Bei einem Bandscheibenvorfall ist die Technik der Operation seit vielen Jahren etabliert, doch meist ist eine OP nicht notwendig. Heute setzt man mit Erfolg auf konservative Therapien – auch am KSA.

  • Autor / Autorin PD Dr. med. Markus Bruder
  • Lesedauer ca. 5 Minuten
  • Themen Neuro+
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«Über 80 Prozent der Bevölkerung hat einmal im Leben so starke Rückenschmerzen, dass es zur Krankschreibung führt», sagt Prof. Dr. med. Gerrit A. Schubert, Chefarzt der Neurochirurgie am KSA. Rückenschmerzen haben viele Ursachen – manchmal ist es ein Bandscheibenvorfall. Ein solcher hat typische Symptome: Plötzlich auftretende Schmerzen, die in die Arme oder Beine ausstrahlen, begleitet von Missempfindungen, Taubheitsgefühlen oder sogar einer Schwäche in den Armen und Beinen. Zwar begünstigen etwa genetische Faktoren oder Rauchen einen Bandscheibenvorfall, gross vorbeugen kann man aber nicht. «Es trifft Profisportler genauso wie Couch-Potatoes», erklärt PD Dr. med. Markus Bruder, Leitender Arzt und Leiter Wirbelsäulenchirurgie in der Klinik für Neurochirurgie am KSA.  

Ein Blick aufs Rückgrat 

Eine Bandscheibe liegt zwischen zwei Wirbelkörpern, sorgt für die Beweglichkeit der Wirbelsäule und ist ein Puffer bei Belastungen und Erschütterungen. Sie besteht aus einem harten Faserring und einem weichen Kern. Der Faserring hält den Kern in Position. Durch Verschleiss kann der Faserring über die Jahre Risse bekommen, wodurch der weiche Kern austreten kann. Am häufigsten passiert das zwischen dem vierten und fünften Lendenwirbelkörper, aber auch an der Halswirbelsäule kann ein Bandscheibenvorfall auftreten. 

Immer erst konservativ behandeln 

Noch bis vor 20 Jahren wurde bei einem Bandscheibenvorfall schnell zum Skalpell gegriffen. «Heute ist man schlauer», so Gerrit A. Schubert. Fakt ist: «Weit über 90 Prozent der Bandscheibenvorfälle heilen ohne OP aus», sagt Markus Bruder. Die Beschwerden verschwinden innerhalb weniger Wochen. Das ausgetretene Bandscheibenmaterial verliert Wasseranteile, wird kleiner und gibt den gedrückten Nerv frei. Eine konservative Schmerztherapie hilft beim Überbrücken dieser Zeit. Die Therapie beinhaltet Schmerzmedikamente (Tabletten, Infusionen und/oder Infiltrationen), aber vor allem Physiotherapie zum Stärken der Rückenmuskulatur. 

Spine Board – interdisziplinäre Zusammenarbeit am KSA 

Kommen Betroffene mit Symptomen ins KSA, fertigen Neuroradiologinnen und -radiologen ein MRI an. Dies, um die Stelle, an welcher der Bandscheibenvorfall liegt und den Nerv trifft, genau feststellen zu können. Da der Körper komplex ist und die Ursachen vielschichtig sein können, ist eine neurologische, manchmal auch eine elektrophysiologische Untersuchung entscheidend. Um Patientinnen und Patienten mit Wirbelsäulenproblemen die beste Behandlung zu bieten, trifft sich ein Team verschiedener Disziplinen einmal pro Woche zum Spine Board. Dabei sind Fachleute der Neuroradiologie, Rheumatologie, Schmerztherapie und Neurologie. «Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit ist wichtig und alternativlos, um Betroffenen eine gute Empfehlung abzugeben», sagt Neurochirurg und Wirbelsäulenexperte Schubert. 

Kleiner Schnitt am Hals, grosse Wirkung am Rücken 

Bestehen die Beschwerden fort oder treten neurologische Ausfälle mit Taubheitsgefühlen oder Lähmungen auf, ist eine Operation notwendig. Hier unterscheidet sich die Technik der Behandlung abhängig davon, wo der Bandscheibenvorfall aufgetreten ist. Der Eingriff an der Halswirbelsäule erfolgt, anders als bei einer OP der Lendenwirbelsäule, von vorne. Die Technik ist seit vielen Jahrzehnten etabliert; es reicht ein kleiner Schnitt in eine Hautfalte. Die Wirbelsäule befindet sich wenige Zentimeter unter der Haut. Dank eines Hochleistungsmikroskops ist die OP sehr sicher und präzise. Navigationstechniken und CT-Aufnahmen während des Eingriffes können zusätzlich helfen. Nach der OP bleiben die Patientinnen und Patienten zwei bis drei Tage im KSA. Der Schmerzmittelbedarf ist oft gering, entscheidend ist die frühe Mobilisation. Bis vor wenigen Jahren waren Betroffene nach einer OP an der Wirbelsäule wochenlang ans Bett gefesselt, mit einem Korsett oder einer Halskrause. Heute weiss man: Das ist meist nicht sinnvoll, frühe Mobilisierung und Physiotherapie sind wichtig, idealerweise direkt ab dem ersten Tag.

Nicht nur Kopfsache

Auf unserer Themenseite neuro.ksa.ch gewähren wir einen Einblick in die Welt der Neuromedizin am KSA:

  • Wir zeigen am Modell auf, wie eine Hirntumor-OP abläuft.
  • Wir berichten über die neusten Erkenntnisse in der Behandlung von Schlaganfällen und erklären, was bei Verdacht auf einen Hirnschlag zu tun ist.
  • Noch vergesslich oder schon dement? Wann sollte man sich oder seine Angehörigen professionell untersuchen lassen?

Das und vieles mehr erfahren Sie auf unserer Themenseite zum Schwerpunkt Neuroerkrankungen.

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