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Teamarbeit für die Lunge

12. Mai 2025

Ein Gespräch mit Prof. Dr. Hans-Joachim Kabitz und PD Dr. Franco Gambazzi über Lungenkrankheiten, moderne Behandlungen und interdisziplinäre Zusammenarbeit am Kantonsspital Aarau (KSA).

  • Autor / Autorin KSA
  • Lesedauer ca. 4 Minuten
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Herr Prof. Kabitz, Herr PD Dr. Gam­bazzi, mit welchen Krankheitsbildern haben Sie es am häufigsten zu tun?

Kabitz: Lungenkrebs ist sicher das The­ma, das uns am stärksten beschäftigt – und das interdisziplinär, also gemein­sam. Dann COPD, im Volksmund oft als «Raucherlunge» bezeichnet, Asth­ma, Lungenfibrose, zystische Fibrose, Lungenhochdruck sowie schlafbezoge­ne Atmungsstörungen wie das Schlaf­apnoe-Syndrom. Infektionen wie Lun­genentzündungen sehen wir ebenfalls häufig.

Gambazzi: Wir decken zwei Fachbe­reiche ab, die beide dasselbe Organ be­treffen – die Lunge und den Brustkorb. Die Pneumologie übernimmt den in­ternistisch-diagnostischen und inter­ventionellen Teil, wir als Thoraxchirurgie den operativen. Viele Fälle überschneiden sich. Häufig geht es um bösartige Krebserkrankungen, aber auch um Verletzungen, etwa durch Un­fälle. Dabei steht die Lunge selten al­lein – oft sind auch Nachbarorgane wie Zwerchfell oder Herz betroffen.

Was bedeutet das für die Behand­lung?

Kabitz: Es braucht Teamarbeit. Im KSA profitieren unsere Patientinnen und Patienten davon, dass wir mit vielen Fachbereichen eng vernetzt sind: Not­fallmedizin, Intensivmedizin, Trauma­tologie, Radiologie, Onkologie, Reha­bilitationsmedizin – wir schauen immer den ganzen Menschen an. Das beginnt bei der Diagnose, geht über die Thera­pie und Pflege bis zur Nachsorge. Die Patientin resp. der Patient steht immer im Mittelpunkt.

Gambazzi: Unsere Zusammenarbeit ist sehr eng. Wir besprechen Fälle ge­meinsam, bilden zusammen aus, hal­ten Weiterbildungen. Die Stärke eines grossen Spitals ist, dass wir tiefes Spe­zialwissen mit einer breiten Sichtwei­se verbinden können. Jeder bringt seine Expertise ein – immer mit dem Ziel, das Beste für Betroffene heraus­zuholen.

Wie wichtig ist die Früherkennung – etwa beim Lungenhochdruck?

Kabitz: Enorm wichtig. Lungenhoch­druck ist eine seltene, aber ernste und häufig unterschätzte Erkrankung. Luft­not bei körperlicher Belastung ist das Leitsymptom. Wir können Lungen­hochdruck mittlerweile gut therapie­ren – wenn denn die richtige Diagnose gestellt wird.

Wie häufig ist die COPD?

Kabitz: COPD ist weltweit die dritthäufigste Todesursache – auch in der Schweiz. Etwa jeder zweite Mensch, der über Jahre regelmässig raucht, ent­wickelt eine COPD. Bereits fünf soge­nannte Packungsjahre – z. B. ein Päck­chen Zigaretten pro Tag über fünf Jah­re – erhöhen das Risiko erheblich. Zudem können genetische Faktoren das Ganze noch beschleunigen – und kaum jemand weiss, ob er davon be­troffen ist. Deshalb: am besten gar nicht rauchen!

Wie behandeln Sie COPD?

Gambazzi: Je nach Stadium setzen wir auf Medikamente, Atem- und Physio­therapie oder auch interventionelle/ chirurgische Eingriffe. Eine Lungenvo­lumenreduktion – also das Entfernen von überblähtem, nicht mehr funktio­nierendem Lungengewebe – kann Be­troffenen enorm helfen. Wir machen das chirurgisch oder interventionell mit sogenannten Ventilen. Welche Technik welche Vor- und Nachteile hat, wird derzeit in internationalen Studien untersucht – auch unter Beteiligung des Universitätsspitals Zürich.

Wie viele Patienten behandeln Sie jährlich?

Kabitz: Die Pneumologie betreut rund 630 stationäre Patientinnen und Pa­tienten pro Jahr und hat etwa 6500 ambulante Patientenkontakte. Wir sind ein Team aus neun Lungenspezialistin­nen und -spezialisten. Im letzten Jahr haben wir rund 200 neue Lungenkrebs­fälle diagnostiziert.

Gambazzi: Etwa die Hälfte dieser Lun­genkrebsfälle operieren wir. Damit ha­ben wir eine gute Fallzahl, um Routinen aufzubauen – was enorm wichtig ist. Je häufiger ein Team mit einer Krankheit zu tun hat, desto sicherer und besser wird es. Unser Einzugsgebiet umfasst 550’000 bis 700’000 Menschen. Wir sind im Aargau praktisch das Kompe­tenzzentrum für Thoraxmedizin.

Viele kommen zu spät zur Ärztin bzw. zum Arzt, gerade bei Lungenkrebs – warum?

Gambazzi: Leider ja. Symptome wie Luftnot oder chronischer Husten wer­den oft als «normal» abgetan und mit dem Alter oder Übergewicht erklärt. Wenn aber die Luftnot nicht vom Her­zen kommt, ist häufig die Lunge die Ursache. Viele kommen erst, wenn sie Blut husten – das ist dann ein sehr spä­tes Symptom von Lungenkrebs. Er ist dann schwierig zu behandeln.

Die Experten im Gespräch: Prof. Dr. med. Kabitz (links) und PD Dr. med. Gambazzi arbeiten bei vielen Krankheitsbildern eng zusammen.
Die Experten im Gespräch: Prof. Dr. med. Kabitz (links) und PD Dr. med. Gambazzi arbeiten bei vielen Krankheitsbildern eng zusammen.

Was passiert, wenn eine Patientin bei Ihnen vorstellig wird?

Gambazzi: Dann greifen unsere inter­disziplinären Strukturen. Der Pneumologe beurteilt unter anderem die Lungenfunktion und den Allgemein­zustand der Betroffenen – was entschei­dend ist für die Frage, ob eine Opera­tion überhaupt möglich ist. Umgekehrt braucht es unser Wissen, ob und wie ein Tumor chirurgisch entfernt werden kann. Und – falls nicht – welche anderen Behandlungen helfen können.

Kabitz: Wir bieten sämtliche moder­nen diagnostischen und therapeuti­schen Verfahren in der Pneumologie an – inklusive Antikörpertherapien, Inhalativa, Infusionen, Schlafdiagnos­tik, ambulante Reha und vieles mehr. Seit Ende April ist unsere Klinik zusam­men mit der Klinik Barmelweid auch offiziell eine sogenannte «A-Klinik» – die höchste Weiterbildungsstufe der Schweiz. Wir investieren viel in die Fort- und Weiterbildung – auch für unsere hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen – und in die klinische For­schung.

Was kommt künftig auf Sie zu?

Kabitz: Das Lungenkrebs-Screening für Risikogruppen steht vor der Einfüh­rung – auch in der Schweiz. In den USA und Kanada ist es schon implementiert. Damit werden wir künftig deutlich mehr Frühstadien entdecken – und im besten Falle vor allem durch frühe ope­rative Behandlung heilen können. Das wird unsere Arbeit nochmals intensi­vieren, aber auch verbessern.

Was möchten Sie den Menschen mitgeben?

Kabitz: Jeder, der raucht und Sympto­me wie Luftnot oder chronischen Hus­ten hat, sollte eine Lungenfunktions­prüfung bei der Hausärztin oder dem Hausarzt machen lassen. Und generell gilt: Wenn irgend möglich, bitte nicht rauchen, über Bewegung freut sich die Lunge, Luftqualität ernst nehmen – und Symptome nicht ignorieren.

Gambazzi: Unsere Patientinnen und Patienten müssen nicht gerne zu uns kommen, aber wir können versichern: Wir sind so gut aufgestellt, dass sie uns Vertrauen schenken können. Sie sind bei uns in guten Händen. Wir kümmern uns mit viel Fachverstand und Empathie um sie. Und wir können Menschen, die Luftnot, chronischen Husten, Bluthusten und Schmerzen haben oder schlecht schlafen, wirklich helfen.

 

Inteview: Andreas Krebs

Luft – Lunge – Leben

«Ohne Luft kein Leben» – eine einfache Wahrheit, der wir uns nur selten bewusst sind. Jeder Atemzug versorgt den Körper mit Sauerstoff, der die Zellen am Leben erhält. Atmen geschieht meist unbemerkt. Erst wenn unsere Lungen nicht mehr einwandfrei funktionieren, spüren wir, wie wichtig sie für unsere Gesundheit sind.

Am KSA engagieren sich Spezialistinnen und Spezialisten aus der Pneumologie, Thoraxchirurgie und Schlafmedizin für die bestmögliche Versorgung von Patientinnen und Patienten – mit modernster Diagnostik, langjähriger Erfahrung und interdisziplinärer Zusammenarbeit.

Auf lunge.ksa.ch erhalten Sie spannende Einblicke in diese Zusammenarbeit. Erfahren Sie, wie Schlafstörungen abgeklärt werden, was bei einem Thoraxtrauma geschieht oder wie Lungenkrebs operativ behandelt wird. Zudem erwarten Sie Alltagstipps für bessere Luft in Innenräumen.

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