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Wenn das Steak im Hals stecken bleibt

22. März 2023

Wer Mühe hat mit Schlucken, kann unter einem «Asthma der Speiseröhre» leiden – eine Krankheit, die sich nicht leicht finden, aber relativ gut behandeln lässt. 

  • Autor / Autorin PD Dr. med. Thomas Kuntzen
  • Lesedauer ca. 4 Minuten
  • Themen Ratgeber
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Ein 54-jähriger Mann, nennen wir ihn Werner Dietrich, meldet sich am späten Abend im Notfall des Kantonsspitals Aarau. Er habe beim Nachtessen das Steak schlecht gekaut, und jetzt sitze ein Brocken im Hals fest. Das Atmen fällt ihm schwer, und den Speichel muss er ständig ausspucken.  

Das ist ein Notfall, wie ihn PD Dr. Thomas Kuntzen, Chefarzt der Abteilung für Magen-Darm-Erkrankungen am KSA Aarau, immer wieder erlebt. «Der Speiserest lässt sich mit Hilfe eines Endoskops in den Magen drücken», erklärt er. Dabei fällt ihm aber auf, dass die Schleimhaut der Speiseröhre von Werner Dietrich rau ist und typische zirkuläre Falten aufweist. Aus diesem Grund nimmt Thomas Kuntzen eine Gewebeprobe. Der Verdacht des Arztes erhärtet sich: «Der Patient hat eosinophile Ösophagitis, auch ‹Asthma der Speiseröhre› genannt.»  

Die eosinophile Ösophagitis ist eine allergische Entzündung der Speiseröhrenschleimhaut. Diese schwillt deshalb an und ist weniger gleitfähig, sodass die Nahrung nicht mehr richtig durch die Speiseröhre transportiert werden kann. 

Es gibt Fälle, in denen nur während der Pollensaison Beschwerden auftreten

Alle Altersgruppen sind betroffen 

In der Schweiz leiden schätzungsweise 4000 Menschen am Speiseröhrenasthma. Die Gründe für diese allergische Entzündung sind nicht restlos geklärt. Man nimmt an, dass sie durch Allergene aus der Nahrung oder durch Pollen ausgelöst wird – ähnlich wie beim Asthma der Atemwege. «Es gibt Fälle, in denen nur während der Pollensaison Beschwerden auftreten», sagt der Magen-Darm-Arzt. Ausserdem tritt das «Asthma der Speiseröhre» gehäuft zusammen mit anderen allergischen Krankheiten auf, zum Beispiel mit allergischem Asthma, Heuschnupfen oder allergischen Hautreaktionen wie Neurodermitis oder Nesselsucht. Auch Werner Dietrich leidet an einer Pollenallergie. 

Typischerweise haben die Betroffenen Schwierigkeiten mit dem Schlucken von fester Nahrung. Sie müssen häufig Wasser nachtrinken, damit die Nahrung die Speiseröhre passieren kann. «Wir sehen diese Patienten meistens zum ersten Mal, wenn ein Speisebrocken stecken bleibt», sagt Thomas Kuntzen. Doch manchmal können sich die Beschwerden auch untypisch äussern, etwa als Druckgefühl oder Schmerzen in der Brust. Solche Beschwerden lassen sich leicht mit einem Herzinfarkt oder einer psychischen Erkrankung verwechseln. 

Bei der eosinophilen Ösophagitis schwillt die Speiseröhrenschleimhaut an.

Meist treten die Probleme zwischen 20 und 40 Jahren auf; betroffen sein können jedoch alle Altersgruppen, manchmal sogar Kleinkinder. «Die gelten dann als schlechte Esser», so Thomas Kuntzens Erfahrung. Je nach Schweregrad der Erkrankung könnten betroffene Kinder auch öfters erbrechen und gegenüber Gleichaltrigen langsamer an Gewicht zulegen oder im Wachstum zurückbleiben. 

 

Die Betroffenen haben oft über Jahre Beschwerden, die sie aber durch gutes Kauen der Nahrung und Nachtrinken von Flüssigkeit lange Zeit selbst halbwegs unter Kontrolle halten können. Manchmal löst sich der «Stau» in der Speiseröhre nach 15 bis 30 Minuten von selbst wieder. So gehen oftmals viele solcher Ereignisse einem Spitalnotfall voraus.  

Bei Patientinnen und Patienten mit typischen Symptomen nimmt man bei einer Magenspiegelung kleine Gewebeproben aus der Speiseröhre und untersucht diese auf den Gehalt bestimmter Entzündungszellen. Beim Speiseröhrenasthma finden sich diese hochkonzentriert in der Schleimhaut der Speiseröhre.

Theoretisch kann die Krankheit geheilt werden, indem das auslösende Allergen und die entsprechenden Nahrungsmittel vom Speisezettel gestrichen werden. Doch das Allergen zu finden, ist schwierig.

Lokal wirksames Kortison lindert Entzündung  

Eine rasche Behandlung der entzündeten Speiseröhre ist sinnvoll, denn unbehandelt kann sie teilweise vernarben, und das Schlucken fällt dann noch schwerer. Zur Behandlung gibt es lokalwirksame, antientzündliche Kortisonpräparate, die rasch beschwerdefrei machen. Das Kortison muss jedoch langfristig eingenommen werden, wenn auch tief dosiert. Zudem schwächt es als Nebenwirkung lokal das Immunsystem, was zu einem Pilzbefall der Speiseröhre führen kann.  

Bei einem Teil der Betroffenen spielt auch Magensäure, die aufstösst, eine Rolle. Ein Magensäureblocker allein oder kombiniert mit Kortison kann hier die Beschwerden lindern oder beseitigen. Oft reichen niedrige Medikamentendosen aus. Nebenwirkungen sind bei dieser Therapie laut Thomas Kuntzen selten. 

Theoretisch kann die Krankheit geheilt werden, indem das auslösende Allergen und die entsprechenden Nahrungsmittel vom Speisezettel gestrichen werden. Doch das Allergen zu finden, ist laut Thomas Kuntzen schwierig – ebenso das Einhalten einer entsprechenden Diät, insbesondere angesichts des grossen Angebots an Fertigprodukten. Für Betroffene, die mit den derzeitigen Therapien nicht zurechtkommen, stehen neue medikamentöse Therapien in Aussicht, die in der Schweiz allerdings noch nicht zugelassen sind.  

Werner Dietrich konnte den Spitalnotfall bald wieder verlassen. Nach dem endoskopischen Eingriff erhält er nun ebenfalls Kortison. In rund zwei Monaten sollte er keine Schluckprobleme mehr haben.

Gastroenterologie und Hepatologie am Kantonsspital Aarau

Die Gastroenterologie und Hepatologie ist eine eigenständige Abteilung der Medizinischen Uniklinik. Sie beschäftigt sich mit Diagnostik, Therapie und Prävention von Erkrankungen

  • der Speiseröhre 

  • des Magens

  • des Darmes

  • der Leber 

  • der Gallenorgane

  • und der Bauchspeicheldrüse

Schwerpunkt der Tätigkeit sind endoskopische Untersuchungen und damit verbundene Eingriffe wie Blutstillungen, Resektionen von Darm-Polypen, Entfernungen von Steinen aus den Gallenwegen und Stenteinlagen. Spezialsprechstunden für chronische Darmerkrankungen und Leberleiden sind ein weiterer wichtiger Teil des Spektrums.

Quelle: Aargauer Zeitung, CH Media 

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